Erster Klasse zweite Klasse...?
Eigentlich sollte ja die Klassengesellschaft seit geraumer Zeit vorüber sein.
Dass das nicht wirklich geht, ist an vielen Beispielen auszumachen, das erlebt
jeder immer wieder. Bei der Bahn zum Beispiel ist lediglich seit rund vierzig
Jahren die 'Dritte Klasse' weggefallen, das waren Holzbänke in verrauchten
Waggons. Erste und Zweite Klasse sind geblieben. In der Passagier-Fliegerei gibt
es sie inzwischen wieder, die drei Klassen, Economy (Früher: Touristenklasse),
Business und First. Mit den Sitzen verhält es sich ähnlich wie beim Vorbild
Bahn...
Und auch Menschen werden immer wieder von anderen in Klassen eingeteilt. Ob zu
Recht oder nicht, offenbar fühlen wir uns wohler, wenn wir alles, was uns
unterkommt, klassifizieren können. Oder ordnen. Für viele ist Ordnung eben nicht
das halbe Leben. Sondern das ganze.
So werden wir Flieger nur allzu oft ebenfalls dort eingeordnet, wo die meisten
überhaupt nicht hingehören (wollen): In die Klasse der Reichen, der Snobs, in
die Klasse derer, auf die man neidisch sein muss. Schließlich tun wir etwas, was
nicht nur extrem gefährlich, sondern überdies auch extrem teuer ist: Wir
fliegen. Wem geht es nicht so, wenn bekannt wird, dass man Pilot ist: "Ach, Sie
haben ein Flugzeug?" Und dann fast enttäuscht: "Ach, nicht? Sie chartern? Aber
das ist doch sicher auch sehr teuer...?" Am Besten 'ja' sagen. Damit die
Erwartungshaltung nicht gar zu enttäuscht wird... Man erwartet eben, dass wir
reich sind...! So werden wir eben klassifiziert.
Nun sollte man meinen, das mit dieser Klassifizierung einher geht, dass wir auf
irgendeine Art und Weise was Besonderes sind. Wohlgemerkt: In den Augen der
meisten. Und dass wir das sind, können wir dann an vielen kleinen Beispielen
erkennen. Besser gesagt: Müssen wir erkennen...: Während Otto Normalverbraucher
mit seinem Auto lustig und zufrieden in der Welt umher fährt, müssen wir uns
brav dort abmelden, wo wir abfahren (-fliegen), dort anmelden, wo wir ankommen,
sagen, wo wir herkommen, wieviele wir sind, wie der Fahrer (Pilot) heißt,
wohin's den weiter gehen soll... Während sich egal wie viele Autos um
Ampelmasten wickeln, in Schaufenster versenken oder an Bushaltestellen unter die
Wartenden mischen können, ist man fleißig bemüht, Städte für Luft-Fahrer, wenn
sie nicht gerade ein Transportgewerbe ausüben, zu sperren, wenn ein ebenso
privates Fortbewegungsmittel wie der Golf des Nachbarn eben dort einen Unfall
hatte.
Und wenn jemand in voller Sachkenntnis (weil selber Pilot) dessen, was er tut,
ein Flugzeug so sabotiert, dass es, wenn dies nicht rechtzeitig bemerkt wird, zu
einem fliegenden Sarg für die Insassen und zu einer Bombe für Zeitgenossen am
Boden wird, so wird dies als Sachbeschädigung angeklagt...! Hierzu folgende
Meldung:
Kölner Stadt-Anzeiger, 18.11.01, 15:58h
Saboteur vom Dümpel wieder frei
Bergneustadt / Köln - Der Saboteur, der im Juni auf dem Dümpel zwei mit
Quartzsand gefüllte Fingerlinge aus Gummi in den Öl-Einfüllstutzen eines
Flugzeugmotors eingeführt hatte, ist wieder auf freiem Fuß. Nach einer
Überprüfung des Falles durch das Schwurgericht wurde der Haftbefehl
aufgehoben. Der im September festgenommene 46-jährige Oberberger konnte
die Justizvollzugsanstalt Ossendorf wieder verlassen.
„Es besteht keinerlei Verdacht darauf, dass mein Mandant jemanden
umbringen wollte, erklärte Verteidiger Reinhard Birkenstock gegenüber
dem Kölner Express. Bei Flugzeug-Sabotage muss wie bei Autos zumindest
einer einsteigen. Sonst liegt kein Tötungsversuch vor. „Es reicht nicht
aus, wenn man eine Falle stellt und niemand hereinfällt“, so der Anwalt.
Juristisch gehe es damit nicht mehr um versuchten Mord sondern nur noch
Sachbeschädigung und vielleicht ein Eingriff in den Luftverkehr.
Der Täter war der Polizei fast drei Monate nach dem Sabotageakt ins Netz
gegangen. Umfangreiche Tests, darunter auch eine DNA-Untersuchung von
Spuren an den Fingerlingen hatten ihn schließlich überführt. Der Mann
hatte die Tat gestanden. Seine Motive: Neid, Frust und
Minderwertigkeitskomplexe. Wäre es bei der ursprünglichen Anklage
geblieben, hätten ihm zehn Jahre Haft gedroht. Nun - so der Anwalt -
werde er bald wieder arbeiten und Umsatzsteuerbescheide prüfen.
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Sind wir nun Erste Klasse, oder Zweite Wahl...?
Die Manipulation ist nur bemerkt worden, weil der Pilot einen umfangreichen
Preflight-Check gemacht hat. Wieviele Piloten aber fliegen mal eben 'ne halbe
Stunde zum Kaffeetrinken und machen vor dem Rückflug dann eben keinen
umfangreichen Preflight-Check mehr?
Wenn ich heimlich die Radmuttern des Nachbar-Golfs löse, so ist das durchaus
eine Straftat. Dazu ist eben nicht erforderlich, dass dem Nachbarn dann auch
tatsächlich etwas Schlimmes zustößt! Was sollten sonst die juristischen Begriffe
'versuchter Totschlag' oder 'versuchter Mord' im Strafgesetz zu suchen haben? Sie
sind eben dafür da, auch solche Taten zu verurteilen, die aus den
verschiedensten Gründen eben nicht zum ursprünglichen Ziel geführt haben.
Juristisch gewürdigt werden kann nämlich, dass der Täter überzeugt ist, seine
Tat führe zum Erfolg, auch, wenn dies im Ergebnis dann nicht eintritt!
Insoweit kann ich dem Gericht, das aufgrund der eigenartigen Begründungen des
Anwalts die Beendigung der Untersuchungshaft angeordnet hat, ganz und gar nicht folgen. Aber wie eigenartig Gerichte zuweilen entscheiden, hat ja auch der
Fall (erst zuviel Lärm, dann zuwenig) des Flugplatzes Beromünster in der Schweiz
gezeigt... (siehe Editorial vom 23.09.).
Während das Führen eines Luftfahrzeugs mit abgelaufener Lizenz eine Straftat
ist, soll also der geschilderte Fall lediglich eine Sachbeschädigung
darstellen...? Weil Piloten ja eine andere Klasse sind...? Deswegen dürfen ja
von Flugplatzgegnern auch schnell wachsende Pappeln am Landebahnende gepflanzt
und tiefe, quer zur Anflugrichtung weisende Furchen vor und hinter die
Landebahnschwellen gegraben werden... (siehe ebenfalls Editorial vom 23.09.)...
Oder was ist von besonderen erkennungsdienstlichen Überprüfungen von Nicht-
Berufspiloten im Allgemeinen und Piloten von Maschinen bis 2 t MTOW im
Besonderen auf dem Flughafen Tempelhof zu halten?
Welche Klasse sind wir denn nun...?
Glücklicherweise aber wird ja bekanntlich nichts so heiß gegessen, wie es
gekocht wird. Und so bleibt abzuwarten, wie in dem oben beschriebenen Fall
tatsächlich entschieden werden wird. Und ob sich eine derartige
'Klassifizierung' überhaupt fortsetzt, bei der die 'Pilot's Class' bei den
'Sachen' im Frachtraum eingeordnet wird...
In diesem Sinne
Herzliche Grüße,
euer

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